„Der Zugang zu Innovationen im Gesundheitswesen sollte als Investition und nicht als Kostenfaktor betrachtet werden“: Christoph Glaetzer

In Lateinamerika lassen Innovationen im Gesundheitswesen oft lange auf sich warten. Zwar sind die Krankenversicherungssysteme der Region im Allgemeinen robust, doch verschiedene Faktoren führen dazu, dass Innovationen länger brauchen als in anderen Teilen der Welt. Dies ist eines der Themen der HTAi-Jahrestagung 2025, die dieses Jahr in Buenos Aires stattfindet. Dort treffen sich internationale Experten, um zu diskutieren, wie sich Health Technology Assessment (HTA) an die Herausforderungen der Zukunft anpassen kann.

Die HTAi-Jahrestagung 2025 findet dieses Jahr in Buenos Aires statt. Foto: HTAi
Einer der Hauptteilnehmer des Gipfels ist Christoph Glaetzer, Chief Global Value & Access Officer bei Johnson & Johnson Innovative Medicine. Er leitet die weltweiten Bemühungen, den Zugang zu innovativen Behandlungen für komplexe Krankheiten wie Krebs, Immunerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychische Erkrankungen zu fördern. Mit über 30 Jahren Branchenerfahrung hat Glaetzer in Europa, den USA und Asien Strategien entwickelt, um wissenschaftliche Durchbrüche effektiv an Patienten weiterzugeben.
In einem Interview mit EL TIEMPO denkt Glaetzer über die Herausforderungen und Chancen des Zugangs zu Innovationen im Gesundheitswesen in Lateinamerika – und insbesondere in Kolumbien – nach und betont die Notwendigkeit öffentlich-privater Partnerschaften, dynamischerer Regulierungsrahmen und die Betrachtung des Gesundheitswesens als strategische Säule der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung.

Christoph Glaetzer, Chief Global Value & Access Officer bei Johnson & Johnson. Foto: EPA-Kongress
Die Konferenz zielt darauf ab, einen kontinuierlichen Dialog zwischen verschiedenen Interessengruppen des Gesundheitssystems zu fördern: HTA-Agenturen, Versicherern, Patientenverbänden und anderen wichtigen Akteuren. Obwohl die Gesundheitsversorgung in jedem Land eine lokale Angelegenheit ist, gibt es gemeinsame Herausforderungen, beispielsweise sicherzustellen, dass Innovationen die Bevölkerung erreichen, die sie benötigt. Das Tempo des wissenschaftlichen Fortschritts ist beeindruckend, erfordert aber auch eine schnelle Anpassung der Systeme. Für uns als Pharmaunternehmen ist es unerlässlich, an diesen Themen mitzuwirken und unsere globale Erfahrung einzubringen.
Wie sehen Sie die Herausforderungen beim Zugang zu Gesundheitstechnologien in Lateinamerika und insbesondere in Kolumbien? Alle Länder sind bestrebt, den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, und das ist ermutigend. Die Kapazitäten ihrer Systeme variieren jedoch. In Lateinamerika unterscheiden sich die Versorgungsstrukturen, die Finanzierung und die Infrastruktur erheblich. Wichtig ist, dass die Behandlungen diesen Gegebenheiten entsprechen. Wir arbeiten eng mit Regierungen wie der kolumbianischen zusammen, um den Zugang zu verbessern und die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems zu unterstützen. Es geht nicht nur darum, eine Innovation einzuführen, sondern sicherzustellen, dass sie nachhaltig ist und der Bevölkerung zugutekommt.
Glauben Sie, dass die Kosten der Innovationen ein Hindernis für ihre Einführung in der Region darstellen? Diese Frage ist in allen Kontexten berechtigt und relevant, nicht nur in Lateinamerika. Auch in Europa und Großbritannien sind die Budgets begrenzt. Doch es ist wichtig, das Narrativ zu ändern: Wir dürfen Gesundheit nicht als Kostenfaktor, sondern als Investition betrachten. Wenn wir Krankheiten frühzeitig behandeln, Krankheiten vorbeugen oder schwere Krankheitsverläufe verhindern, verringern wir soziale und wirtschaftliche Belastungen. Darüber hinaus stärkt ein starkes Gesundheitssystem die Wirtschaft, indem es für gesunde und produktive Arbeitskräfte sorgt. Diese Vision eines ganzheitlichen Wertes müssen wir fördern.

Innovationen im Gesundheitswesen können dazu beitragen, die Betriebskosten zu senken. Foto: iStock
Unser Unternehmen ist bestrebt, überall dort führend zu sein, wo uns die Wissenschaft hinführt. Wir konzentrieren uns auf Bereiche wie Onkologie, Immunologie und Neurowissenschaften und unser Ziel ist es, diese Innovationen in alle Länder, einschließlich Kolumbien, zu bringen. Wir sind seit Jahrzehnten in dem Land tätig, nehmen an klinischen Studien teil und arbeiten mit führenden Wissenschaftlern vor Ort zusammen. Wir möchten bahnbrechende Erkenntnisse Patienten zugänglich machen, egal wo sie leben.
Wie können wir den Zugang nicht nur schneller, sondern auch langfristig nachhaltig gestalten? Das ist die große Herausforderung. Wir müssen an die Gegenwart denken, ohne die Zukunft aus den Augen zu verlieren. Der Schlüssel liegt darin, die Bereiche mit dem größten Bedarf – wie zum Beispiel Krebs – frühzeitig zu identifizieren und tragfähige Entscheidungsgrundlagen zu schaffen. Entscheidend ist auch die Verbesserung der Systemeffizienz: Viele neue Behandlungen können bei guter Umsetzung Kosten senken. Manchmal liegt das Problem nicht im Preis der Innovation, sondern ineffizienten Prozessen. Es ist ein kontinuierlicher Kreislauf, in dem wir den aktuellen Zugang mit Investitionen für morgen in Einklang bringen müssen.
Was sollte Lateinamerika tun, um nicht länger eine Region mit spätem Zugang zu Innovationen zu sein, sondern eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung einzunehmen? Ich halte es für unerlässlich, den Wert des Gesundheitswesens für die Gesellschaft anzuerkennen, nicht nur aus Patientensicht, sondern auch aus wirtschaftlicher und produktiver Sicht. Kolumbien beispielsweise verfügt über ein System mit universeller Versorgung und klarem Patientenfokus. Wenn diese Prinzipien beibehalten und ein günstiges Umfeld für Innovationen geschaffen wird – einschließlich der Teilnahme an globaler Forschung – kann das Land nicht nur von Fortschritten profitieren, sondern auch zu ihnen beitragen. Der Schlüssel liegt darin, strategische Allianzen zu fördern und Bewährtes nicht zu untergraben, sondern zu verbessern.
Umwelt- und Gesundheitsjournalist
eltiempo